AUGEN AUF! 100 Jahre Leica Fotografie
„Die Leica ist die Verlängerung meines Auges.“ Henri Cartier-Bresson
Kurzinfo
Diese Kamera hat den Blick auf die Welt verändert. Für immer: Der fallende Soldat von Robert Capa, der Pfützenspringer von Henri Cartier-Bresson, der Kuss am Times Square von Alfred Eisenstaedt, die vor Napalm flüchtenden Vietnamesen von Nick Út, die sowjetische Flagge auf dem Berliner Reichstag von Jewgeni Chaldej – diese berühmten Fotografien sind alles Leica Bilder und haben sich tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Erst die Kompaktheit und innovative Technik der Leica hat Fotografien wie diese ermöglicht. Die Vorgänger der Leica – in der Regel klobige, schwere Kameras – waren wenig handlich und für nur ein Foto pro Glasplatte ausgelegt. Es war kaum möglich, sie spontan einzusetzen. Vor der Leica glich Fotografieren eher einem Inszenieren von Wirklichkeit. Mit der Kleinbildkamera von Leitz wurde spontanes Reagieren möglich sowie unbemerktes Fotografieren auf der Straße.
Über die Ausstellung
Dynamisierung, Demokratisierung, mediale Revolution – technischen Innovationen werden oft große kulturelle Veränderungen zugeschrieben. So auch der Erfindung der Leica vor 100 Jahren. Wie jedoch kann ein kleiner, schwarzlackierter Apparat solch‘ superlative Wirkung entfalten? Das Taschenformat, die Möglichkeit des Objektivwechsels, die leise Mechanik und kurze Verschlusszeiten ermöglichen den Fotografen völlig neue Einsatzmöglichkeiten, extreme Perspektiven und ungewöhnliche Spontaneität. Durch die Verwendung von Kinofilm wird das Fotografieren seriell, preisgünstig und für jeden zugänglich. Schnelligkeit, Freiheit und Leichtigkeit inspirieren Fotografen in ihrer Arbeitsweise und bedienen die Bedürfnisse einer dynamischen Epoche. Die bequem in der Manteltasche zu tragende Kamera ist Auslöser für eine gewaltige Bilderflut, eine immense Lust am Experiment und eine umfassende visuelle Erkundung der Wirklichkeit. So wird die Leica zum Gradmesser von Aufbruch, Tempo und ästhetischen Neuerungen und bleibt ein Mythos bis ins digitale Zeitalter.
Die Ausstellung „AUGEN AUF! 100 JAHRE LEICA FOTOGRAFIE“ beleuchtet in sechzehn Kapiteln Aspekte der Kleinbildfotografie: Von journalistischen Strategien über dokumentarische Ansätze bis hin zu freien künstlerischen Positionen. Sie verdeutlicht erstmals aus kunst- und kulturgeschichtlicher Perspektive, wie sich das fotografische Sehen im 20. Jahrhundert durch das Leica Kleinbild verändert hat. Mehr als 300 Fotografien aus internationalen Sammlungen und Museen sowie Zeitschriften und bedeutende Fotobücher belegen die unterschiedlichen Aspekte der Leica Fotografie ab Mitte der 1920er-Jahre. Die Ausstellung ist somit auch eine Stilgeschichte des Mediums von der klassischen Moderne bis zur postmodernen Vielfalt der Gegenwart, vom Neuen Sehen über die „Photographie Humaniste“ bis hin zum Modebild, von der „subjektiven Fotografie“ über die Autorenfotografie bis zur Street Photography und künstlerischen Fotografie unserer Tage.
In der Ausstellung präsentiert das Kunstfoyer München Arbeiten von international renommierten Leica Fotografen wie Alexander Rodtschenko, Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, Christer Strömholm, Bruce Davidson, F.C. Gundlach, Fred Herzog, Robert Lebeck, William Eggleston, Will McBride, Paolo Roversi, René Burri, Thomas Hoepker, Bruce Gilden, Mark Cohen, Nobuyoshi Araki und vielen Weiteren.
Das erste Modell der Leica, deren Markenname sich aus den ersten Buchstaben von Leitz und Camera zusammensetzt, wurde im März 1914 vom Feinmechaniker und Hobbyfotografen Oskar Barnack fertiggestellt. Bereits ihm gelang es, packende Bildmotive auf einen 35-Millimeter-Kinofilm zu bannen. Dabei hatte Barnack das im Kino gebräuchliche Negativformat auf 24 x 36 mm verdoppelt und so einen weiteren für die Kleinbildfotografie des 20. Jahrhunderts verbindlichen Standard geschaffen. Allerdings konnte Ernst Leitz II, damals Chef des im hessischen Wetzlar beheimateten Unternehmens, die serielle Produktion und Markteinführung der Kamera erst zeitverzögert 1925 – nach dem Ersten Weltkrieg – realisieren.
Die Ausstellung wurde von Hans-Michael Koetzle kuratiert und bereits mit großem Erfolg in Hamburg, Frankfurt am Main, Berlin und Wien gezeigt. Die Münchner Station im Kunstfoyer überrascht durch weitere, zuvor nicht gezeigte Arbeiten u. a. von Hans Saebens, Werner Bischof, Paul Wolff oder Gérard Castello-Lopes.
Begleitend ist im Kehrer Verlag ein umfangreicher Katalog erschienen: 562 Seiten, ISBN 978-3-86828-523-9, Preis: 98,- €.