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A.R. Penck: Grafik 1979-1998

Als ich in den Westen kam, hatte ich das Gefühl, in meine Kindheit zurückzufallen und zugleich in eine Science-Fiction-Welt versetzt zu sein. Die Zeit blieb stehen und lief gleichzeitig weiter. Das war schon ein sehr merkwürdiges Gefühl, das an die Identität rührte.“
(A.R. Penck in: Kunst heute, Nr. 6, Köln 1990)

Wie kein anderer Künstler – neben ihm nur Jörg Immendorff – setzt sich Ralf Winkler, geboren am 5.10.1939 in Dresden, über Jahrzehnte mit der Frage nach dem „Quo vadis Germania“ auseinander. Er selbst hat in beiden deutschen Teilstaaten gelebt. In der DDR durfte er bereits seit 1962 nicht mehr öffentlich ausstellen. Anders als Georg Baselitz, Günther Uecker und Gerhard Richter entschied er sich dennoch, zu bleiben. Bis zu seiner Ausbürgerung 1980 arbeitete er im Untergrund, wurde aber der westdeutschen und internationalen Öffentlichkeit schon seit 1968 durch Ausstellungen bekannt und populär als A.R. Penck – „der Maler der Strichmännchen“.

Penck hat den Osten als Wüste, den Westen dagegen als Dschungel beschrieben. Mit seiner Entscheidung, im Osten zu bleiben, im Westen aber Dank des Galeristen Michael Werner seine Werke auszustellen und zu verkaufen, nahm er es gleich mit zwei antagonistischen politischen Systemen auf. Für Pencks Anschauung des Sozialismus war in der DDR kein Platz und keine Anerkennung. Natürlich musste das bei ihm zu ambivalenten Standpunkten führen. Geschult durch Gesellschaftsanalyse arbeitete Penck am universal verständlichen Bild (Zeichen, Standart, Signal) als künstlerisches Ziel und wurde dennoch zum intellektuellen Bildforscher. Ein Außenseiter.

Bislang wurde das Werk von A.R. Penck nur in wenigen seiner vielschichtigen Aspekte rezipiert. Dabei überwiegt die fast zwanghaft vorgenommene Einordnung in den zeitgeschichtlichen Kontext, gefolgt von der stilistischen Zuordnung: sein Menschenbild als neuer Weg zwischen Figuration und Abstraktion  hinsichtlich seiner Anklänge an Klassiker der Moderne, an Concept Art sowie an die Archaik der „Strichmännchen“ analog zur prähistorischen Höhlenmalerei. In den Blickpunkt rückten weiterhin die Analyse der von Penck in zahlreichen Publikationen mitgelieferten Bildstrategien und Manifeste, die Frage nach Identität und Pseudonym, nach der Marktreflexivität, nach seiner Zeitgenossenschaft und auch, ob er für nachfolgende Generationen Orientierung bieten könne.

Einen repräsentativen Überblick über die Gemälde konnten die Besucher der 2007 von der Kunsthalle Schirn in Frankfurt ausgerichteten „A.R. Penck. Retrospektive“ gewinnen. Eine Ausstellung über die Malerei kann sich auf einige, im Werk wesentliche Arbeiten konzentrieren. Mit der weitaus umfangreicheren Druckgrafik formulierte, überprüfte und variierte Penck seine Bildvorstellungen. Die nur selten in Ausstellungen gezeigte Druckgrafik hat auch im Werk von Penck einen zentralen Stellenwert. Das Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern hat sich seit einigen Jahren auf Ausstellungen grafischer Werke spezialisiert. Unser besonderer Dank gilt der Sammlung Geuer & Breckner aus Düsseldorf sowie der Galerie Sabine Knust in München für die Leihgaben zu diesem Ausstellungsprojekt, das nur ein Anfang, keineswegs schon ein pars pro toto der Grafik von Penck sein will. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Prof. Dr. Eugen Blume und Prof. Dr. Bazon Brock.

Kuratorin

Isabel Siben