Paolo Pellegrin. Retrospektive
Was macht ein Foto zu einem Nachrichtenträger? Was macht ein Foto zu einem Gefühlsträger? Von der Welt, in der wir nicht leben, erfahren wir viel durch die Medien. Immer mehr Bilder erreichen uns aus Krisengebieten, von Kriegen und Katastrophen. Menschen riskieren ihr Leben, um für ihre Freiheit zu demonstrieren und an die Weltöffentlichkeit zu appellieren. Bilder allein tragen jedoch nicht zum Verständnis dieser von unserer Situation so verschiedenen harten Realität bei. Ohne einen glaubwürdigen Erfahrungsbericht oder Kommentar sieht man nur Ansammlungen von unbekannten Gesichtern und Orten.
Der vielfach ausgezeichnete Magnum-Fotograf Paolo Pellegrin (geb. 1964 in Rom, seit 2005 bei Magnum) sieht sich in der Rolle und in der Verantwortung eines Zeugen. Er sucht den direkten Kontakt zu Menschen in Kriegsgebieten, in entsetzlicher Armut und in unberechenbaren Situationen. Seine Reportagen erscheinen regelmäßig im New York Times Magazine und in der Newsweek. Seit 2011 präsentiert er als Kolumnist im ZEITmagazin jede Woche eine seiner eindringlichen, in ihrer Drastik oft verstörenden Fotografien. Pellegrin zeigt Sympathie und Respekt für viele Namenlose. Seine Aufnahmen beeindrucken durch ihre ungewöhnliche Vertrautheit. In einer Ausstellung wirken seine gewaltigen Schwarzweißfotografien besonders stark. Das Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern zeigt erstmals die Retrospektive seiner Dokumentarfotografien aus den letzten zehn Jahren, darunter ganz aktuelle Arbeiten, wie die 12 m breite Foto-Installation über die Katastrophe von Fukushima oder die Demonstrationen auf dem Tahrirplatz in Kairo.
Die Agentur Magnum
Die legendäre Agentur Magnum wurde 1947 von Fotografen für Fotografen gegründet – von Männern, die in den turbulenten dreißiger Jahren und im Krieg wichtige Dokumentationen gemacht haben. Auch nach Kriegsende hatten die Reportagefotografie und die auflagenstarken Illustrierten Hochkonjunktur. Bei aller Unterschiedlichkeit der Charaktere und Biografien ihrer Mitglieder gab es doch einige entscheidende gemeinsame Nenner: die Magnum-Ethik, wie sie von Henri Cartier-Bresson formuliert wurde, „Zeugnis abzulegen, von den Narben der Welt“ und die Durchsetzung des Urheberrechts: Fotos nach ihren eigenen Vorstellungen zu machen, zu verkaufen und in den geeigneten Kontext zu stellen. Zu versuchen, den Markt anzuführen, statt ihm einfach nur zu folgen.
Im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern waren bereits folgende Magnum-Ausstellungen zu sehen:
MAGNUM AM SET: VON CHAPLIN BIS MALKOVICH, VON ALAMO BIS ZABRISKIE POINT / 14. April bis 25. Juli 2010 (Katalog Schirmer/Mosel)
GEORGE RODGER: ABENTEURER UND FOTOGRAF / 3. Juni bis 13. September 2009 (Katalog Hatje Catz)
MAGNUM´S FIRST: GESICHT DER ZEIT 1955 -1956. ROBERT CAPA, HENRI CARTIER-BRESSON, ERICH LESSING,
WERNER BISCHOF, INGE MORATH, ERNST HAAS, MARC RIBOUD, JEAN MARQUIS / 4. Februar bis 10. Mai 2009 (Katalog Hatje Cantz)
HENRI CARTIER-BRESSON: THE EARLY WORK / 19. September 2007 bis 27. Januar 2008 (Katalog Schirmer/Mosel)
Die Reportagen
Afghanistan, Sudan, Albanien, Irak, Libanon, Rumänien, Kosovo, Vatikan, Gazastreifen, Haiti, Indonesien, Angola, Äthiopien, Liberia, Ägypten, Japan, Israel, Iran, Libyen, Kuba, Syrien, Jordanien, Mali, Algerien
Magnum in Motion
In der Ausstellung werden Filme von Paolo Pellegrin gezeigt:
Iranian Memoir, The Downward Spiral, Lebanon, Guantanamo, Gaza Evacuation, Haiti
Katalog
Zur Ausstellung von Paolo Pellegrin ist ein reich bebilderter Katalog mit einem Interview erschienen, das Isabel Siben mit Paolo Pellegrin geführt hat.
Kurator
Isabel Siben