Yvonne v. Schweinitz. GESICHTER AFGHANISTANS.
Fotografien 1953 / Dokumentarfilme 1950-73 / War Rugs der 1980er Jahre
GESICHTER AFGHANISTANS
Afghanistan ist in den letzten drei Jahrzehnten vor allem durch Negativ-Schlagzeilen im öffentlichen Bewusstsein. Bürgerkriege und die Schreckensherrschaft der Taliban zerstörten das Land. Inzwischen ist die Terrororganisation ISIS in den Blick der Weltöffentlichkeit und Afghanistan etwas in den Hintergrund gerückt. Nun versucht sich das Land zu restrukturieren. Die Internationalen Kampftruppen – darunter auch 1800 Soldaten der Bundeswehr im ISAF-Einsatz – sichern und begleiten bis Ende 2014 einen Prozess des Übergangs.
An diesem wichtigen Wendepunkt in der afghanischen – und weltpolitischen - Geschichte lenkt das Kunstfoyer den Blick auf ein anderes, fast vergessenes Afghanistan. Die Ausstellung „Gesichter Afghanistans“ rekapituliert die Geschichte und die Schätze des Landes, auf die es nun aufzubauen gilt. Denn schon einmal – in den 60er und 70er Jahren - hat Afghanistan versucht, eine Brücke in die Moderne zu finden. Vier Themenbereiche und zugleich auch vier sehr unterschiedliche Medien gliedern schlaglichtartig das schwierige Unterfangen, die einstige Basis des vielseitigen Landes, die bewusst durch die Taliban ausgelöscht werden sollte, wieder sichtbar zu machen.
Yvonne von Schweinitz: Erfahrung einer alten Welt. Fotografien von 1953
Die heute in Essen lebende Yvonne von Schweinitz brachte 1953 von ihrer Reise durch Afghanistan einzigartige Fotos mit, eine Auswahl von 120 ist jetzt im Kunstfoyer zu sehen. Eindrucksvolle Charaktere verschiedener Volksgruppen und ihre Lebensbedingungen hat die Fotografin eingefangen, die an der Seite des Schweizer Journalisten Hans v. Meiss-Teuffen drei Monate lang durch Afghanistan reiste. Menschen und Monumente – wie die der 2001 von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen von Bamiyan (UNESCO-Weltkulturerbe) – zeigen Traditionen, die nach dem Willen dieser islamischen Fundamentalisten aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt werden sollten. Diese Dokumente der Erinnerung können einen wichtigen Beitrag zu einem neuen, offenen Selbstverständnis leisten.
Dokumentarfilme der 50er bis 70er Jahre: Digitalisierung durch Afghan Film
Über die Modernisierung im Land informieren die Wochenschau-Filme der 50er bis 70er Jahre. Es sind die Jahre der Königsherrschaft, in der Afghanistan enge Kontakte zu Deutschland pflegte, und die der konstitutionellen Monarchie (1963-73), die nachträglich als eine Art goldene Ära erscheint. Die bewegten Bilder aus der Vergangenheit sind wertvolle Dokumente, um das kulturelle Gedächtnis des Landes zu bewahren. 30.000 Filmminuten warten in verrotteten Filmdosen auf ihre Digitalisierung. „Mit ihrer Hilfe wollen wir zeigen, wie Afghanistan sein könnte, wenn es die Herrschaft der Fundamentalisten nicht gegeben hätte.“ (Ibrahim Arify, Afghan Film).
War Rugs: Knüpfteppiche der 80er Jahre
Von den völlig chaotischen Verhältnissen der 80er Jahre erzählen die „war rugs“, eine Sammlung von Teppichen mit Kriegs- und Waffen-Ästhetik aus dem Museum Fünf Kontinente München. Auf Knüpfteppichen, die bei den Nomaden und Bauern Afghanistans traditionell mit abstrakten geometrischen und floralen Mustern und manchmal auch mit figürlichen Darstellungen dekoriert waren, erschienen nach dem Einmarsch der Sowjets Anfang der 80er Jahre Bildmotive des Krieges: Panzer, Jagdbomber, Kampfhubschrauber, Raketen und Maschinengewehre.
„Türme des Wissens“ für Schulen und Universitäten in Afghanistan
Die geschichtliche und vor allem die sozio-kulturelle Basis wollen die fünf „Türme des Wissens“ zusammenfassend in Wort und Bild liefern. Didaktisch bestens aufgearbeitet werden diese Infotürme auch an den Schulen und Universitäten Afghanistans verwendet, für München stellte sie die Bibliotheca Afghanica des Schweizer Afghanistan Instituts zur Verfügung.
Kooperationspartner
Die Ausstellung der Afghanistan-Fotografien von Yvonne von Schweinitz ist ein Projekt von Claus Friede*Contemporary Art und Marcard Pro Arte & VV GmbH, Hamburg. Sie wurde bereits in der Handelskammer Hamburg, im Willy-Brandt-Haus Berlin sowie im Museum fu?r Kunst und Kulturgeschichte Dortmund gezeigt. Im Kunstfoyer wurde das Projekt um drei gro?ßere Themenbereiche erweitert: Die Sammlung Kriegsteppiche (Auswahl) aus dem Museum Fünf Kontinente, München, Dokumentarfilme aus dem Archiv von Afghan Film, Kabul und die sogenannten „Türme des Wissens“ der Stiftung Bibliotheca Afghanica, Bubendorf (Schweiz).
Sämtliche Texte in der Ausstellung sind zweisprachig: Deutsch und Dari.