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Imogen Cunningham

„To make a good photograph, you have to be enthusiastic.
That is, you have to think about it, like a poet would.“
(Imogen Cunningham)

Eine junge Frau liegt nackt auf einer Löwenzahnwiese. Ihr Haar ist zu einem lockeren Knoten geschwungen. Gras verdeckt ihr Gesicht. Es ist das Selbstportrait der Studentin Imogen Cunningham. Eigentlich nichts Besonderes. 1906, als diese Fotografie entstand, war es aber eine Provokation. Ohne Scham und gänzlich ohne Vorstellung, was für eine Frau damals als „schicklich“ galt, setzte sie sich in Szene. Sie hatte sich eine 4x5 Zoll Kamera aus dem Katalog bestellt und der Campus der University of Washington war ihre erste Kulisse. Der Anfang einer mehr als 70 Jahre währenden Karriere als Fotografin.

Imogen Cunningham wurde 1883 in Portland, Oregon als erstes gemeinsames Kind von Isaac Burns Cunningham und Susan Elisabeth Johnson geboren. Sie wuchs in einer Patchwork-Familie mit insgesamt 10 Kindern auf. Nach ihrem Highschool–Abschluss studierte sie Chemie (1903-1907), um anschließend für den Fotografen Edward S. Curtis zu arbeiten. Dort erlernte sie das Platindruckverfahren sowie die Portraitfotografie. Ein Stipendium zum Studium der fotografischen Chemie führte Imogen Cunningham 1909 an die Hochschule für Technik in Dresden. Aus Europa zurück, eröffnete sie ein Foto-Studio in Seattle und etablierte sich als Portraitfotografin. 1915 heiratete sie den Künstler Roi Partridge. Kurz nacheinander wurden Gryffid und die Zwillinge Rondal und Padriac geboren. Neben ihrer Familie konzentrierte sie sich auf ihre Arbeit als Fotografin. Es entstanden Portraits und Akte sowie seit den 1920er Jahren auch Pflanzenaufnahmen. Mit der Serie Planzenformen, die 1929 auf der Ausstellung des Deutschen Werkbundes Film und Foto (FiFo) in Stuttgart erschien, erlangte sie internationale Anerkennung. Ihr Erfolg hielt an. Zwei Jahre später veröffentliche Vanity Fair ihre Aufnahmen der Tänzerin Martha Graham. In Folge lichtete sie für die Zeitschrift Hollywoodstars wie Cary Grant, Spencer Tracy und den Präsidenten Herbert Hoover ab. Anfang der 1930er Jahre folgten erste Einzelausstellungen ihrer Werke in Museen und Galerien ihres Heimatlandes – so im M. H. de Young Memorial Museum, San Francisco und in der Julien Levy Gallery, New York. Mit Ansel Adams, Edward Weston und anderen gründete sie 1932 das Fotografen-Kollektiv f/64. Ende der 1940er Jahre richtete sie ihren Sucher auf neue Motive: Straßenszenen weckten zunehmend ihr Interesse. Mit 73 Jahren durchstreifte sie die Straßen von New York und in den späten 1960ern machte sie Aufnahmen von der Hippiegeneration in den Straßen von Haight-Ashbury, San Francisco. Imogen Cunningham blieb ein Leben lang Fotografin. In ihren letzten Lebensjahren erstellte sie eine Fotoserie über das Alter, die als Monographie ein Jahr nach ihrem Tod 1976 erschien.

Durch zahlreiche Ausstellungen und Publikationen in den 1970er Jahren wurde Imogen Cunningham einer breiten Öffentlichkeit bekannt. 1975 gründete sie den Imogen Cunningham Trust. Bedeutende Werke befinden sich in Museumsammlungen auf der ganzen Welt, u.a. im Museum of Modern Art, New York, in der Smithsonian Institution, Washington D.C. sowie dem Tokio Metropolitan Museum of Photography.

Dies ist die erste umfassende Museumsausstellung über Imogen Cunningham seit den 1990er Jahren. Sie wurde von Celina Lunsford kuratiert und wird nur in Madrid, München und Stockholm zu sehen sein. Organisiert von der Fundación Mapfre (Madrid) in Zusammenarbeit mit La Fábrica (Madrid), dem Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern (München) sowie dem Kulturhuset (Stockholm). Hauptleihgeber sind der Imogen Cunningham Trust, Lopez Island, Washington sowie das George Eastman House, Rochester, New York.
Präsentiert werden rund 170 Werke, die alle thematischen und experimentellen Aspekte aus ihrem mehr als 70 Jahre praktizierten fotografischen Werk umfassen: Akt und Modern Dance, Portraits, Pflanzen und Landschaft, Street Photography und Architektur.

Filmbeitrag im Kino des Kunstfoyers: Portrait of Imogen
Ein dokumentarisches Portrait, Regie: Meg Partridge

Begleitbuch zur Ausstellung

Imogen Cunningham
Zuerst erschienen bei TF Editores, Madrid 2012
Deutsche Ausgabe bei Kehrer Verlag, Heidelberg/Berlin 2012
Autoren: Celina Lunsford, Jamie M. Allen, Marisa Sanchez
Festeinband 24 x 30cm, 256 Seiten, 220 Duotonabbildungen
ISBN 978-3-86828-356-3
48 Euro

Kuratorin

Celina Lunsford